Kassel. Das Fachgebiet Solar- und Anlagentechnik im Fachbereich Maschinenbau der Universität hat ein Sorptionsspeichersystem entwickelt, das auf chemischem Wege unter Ausnutzung und Speicherung von Sonnenenergie die Raumluft je nach Bedarf erwärmt oder kühlt, mit weniger Energieaufwand und geringerem Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids als bei herkömmlichen Heizungsanlagen. Die Wissenschaftler haben sich diese Erfindung zweifach patentieren lassen. Bis 2013 wird diese Arbeit vom Bundesministerium für Forschung und Entwicklung mit 680.000 Euro gefördert. Sie ist Teil des bundesweiten Klimzug-Projekts des Bundesministeriums für Forschung und Entwicklung, das Strategien gegen den Klimawandel sucht.
Die Beheizung von Niedrigenergie- und Passivhäusern wird oft durch die Kraft der Sonne unterstützt. Sonnenkollektoren auf den Hausdächern erhitzen Wasser, das seine Wärme wiederum an die Raumluft abgibt. Damit kann bis zu einem Drittel des Wärmebedarfs eines Einfamilienhauses für Trinkwarmwasser und Raumheizung abgedeckt werden. Das Problem dabei: Im Sommer scheint die Sonne so häufig, dass ein Großteil ihrer Energie ungenutzt verpufft. Im Winter, wo gerade viel Wärme benötigt wird, scheint die Sonne wenig. Bisher gab es keinen Weg, die von den Kollektoren erzeugte thermische Energie für den Winter zu speichern. Denn selbst bei sorgfältigster Isolierung eines Speichertanks wird das von der Sonne erhitzte Wasser nach relativ kurzer Zeit kalt. Die Erwärmung der Raumluft muss daher mit stromhungrigen Wärmepumpen oder elektrischen Heizstäben verstärkt werden.
Sonnenenergie wird mittels Sorptionsspeicheranlage chemisch gespeichert
Für dieses Problem haben die Kasseler Forscher des von Professor Dr. Klaus Vajen geleiteten Fachgebiets Solar- und Anlagentechnik unter Federführung des Diplom-Ingenieurs und Doktoranden Roland Heinzen eine Lösung gefunden: Die Sonnenenergie wird mittels einer Sorptionsspeicheranlage chemisch gespeichert. Das geschieht mittels eines an der Universität entwickelten, neuartigen Absorbers, in dem ein Energieaustausch zwischen durchströmender Raumluft und einer Salz-Wasser-Lösung stattfindet. Die so erhitzte Luft gibt ihre Wärme dann mittels eines Wärmetauschers an den Zuluftkanal des Hauses ab.
Die Forscher machen sich dabei zwei, an sich einfache, Prinzipien zunutze. Wird der Luft Feuchtigkeit entzogen, so verwandelt sich der in der Luft enthaltene Wasserdampf in Wasser. Bei diesem Übergang vom gasförmigen in den flüssigen Zustand (Kondensation) wird Energie frei. Die Luft wird wärmer. Verdunstet Wasser dagegen, so wird dabei Energie verbraucht. Die Luft kühlt ab. Die Wissenschaftler entziehen in dem Absorber der Raumluft mithilfe einer hochprozentigen Lithiumchlorid-Salzlösung die Feuchtigkeit. Dadurch wird die Lösung natürlich immer wässriger, ihr Vermögen, mittels Kondensation die Luft zu erwärmen, lässt nach. Deshalb wird der Salzlösung mithilfe der von den Sonnenkollektoren erzeugten warmen Luft in einem so genannten Regenerator wieder das Wasser entzogen. Danach kann sie von neuem Wärme „erzeugen“. So wird die Sonnenenergie verlustfrei in einem stetigen Kreislauf in der Salzlösung gespeichert.
Der neu entwickelte Absorber ist nach den Worten von Heinzen in der Lage, die Lufttemperatur um bis zu 10° Celsius zu erhöhen. Es sei mit der Neukonstruktion gelungen, den Wirkungsgrad gegenüber herkömmlichen Anlagen deutlich zu erhöhen, sagt der Wissenschaftler. Das gelingt mit einem ausgeklügelten System: In einem Kunststoffkasten, den die zu erwärmende Luft durchströmt, werden 50 mit High-Tech-Textilien bespannte Rahmen dicht an dicht nebeneinander gesetzt und dann von oben mit einem Kanalsystem mit Salzlösung benetzt. Das muss variabel geschehen. Denn zum Heizen braucht der Absorber wenig Salzlösung. Als Klimaanlage mit vorgeschaltetem Verdunstungskühler für die heißen Tage benötigt er einen richtigen Schwall Salzwasser. Die Architektur ähnele dem Versuch, „einen einzigen Wassertropfen auf einer ganzen Tischplatte zu verteilen“, sagt Heinzen, der seit vier Jahren an dem Thema forscht und vor zwei Jahren die Firma fSave-Solartechnik als Ausgründung der Universität mit aufgebaut hat. Der Absorber ist nicht nur sehr kompakt und wirkungsstark. Er gebe auch kein Salz an die Raumluft ab, was bei herkömmlichen Anlagen selten zu vermeiden sei, sagt der Wissenschaftler.
Die neuartige Sorptionsspeicheranlage wird in das Abluft- und Zuluft-System des Hauses integriert. Um dem Hausherrn Platz zu sparen, haben die Forscher einen Zweiphasen-Speicher entwickelt: Hoch- und niedrigprozentige Salzlösung aus dem Wärmekreislauf finden in einem einzigen, etwa vier Kubikmeter fassenden Kunststoffbehälter Platz. Die Flüssigkeiten sind in dem Tank durch eine Membran getrennt.
Bis zur Marktreife der Anlage, die dieses Jahr erst im Labor des Fachgebiets getestet wird, ist noch ein weiter Weg. Man habe ein Unternehmen aus der Region gefunden, das einen weiteren Prototyp bauen will, sagt Heinzen. Der Absorber soll dann im Rahmen eines Feldtests in der Außenstelle Witzenhausen der Universität Kassel unter anderem zum Trocknen von Heilkräutern und Obst eingesetzt werden. Danach werde man eine größere Sorptionsspeicheranlage auf der Staatsdomäne Frankenhausen bauen, kündigt der Wissenschaftler an.
Info
Prof. Dr. Klaus Vajen
Dipl.-Ing. Roland Heinzen
tel (0561) 804 3891/2675
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Universität Kassel
Fachbereich Maschinenbau
Fachgebiet Solar- und Anlagentechnik
Quelle: Pressemitteilung 11/10 – Februar 2010