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Chaos in der Stratosphäre: Folgt einem Märzwinter der Hitzesommer?

    In diesen Tagen vollzieht sich hoch über unseren Köpfen das sogenannte Berliner Phänomen. Dieses Wetterereignis mischt die Wetterkarten von Grund auf neu und könnte auch dafür sorgen, dass tatsächlich noch der Winter in Berlin einzieht, obgleich die Temperaturen gegenwärtig für die Jahreszeit deutlich zu warm sind.

    Zurzeit kommt es in der mittleren Stratosphäre zu einer plötzlichen Erwärmung der Luft. Normal sind in 25 Kilometern Höhe Temperaturen von minus 70 Grad Celsius. Am vergangenen Freitag erreichte die Erwärmung über dem Nordpol ihren Höhepunkt. Da lagen die Temperaturen dort sogar nur noch bei Werten um den Gefrierpunkt.

    Eine so plötzliche und massive Erwärmung hat große Auswirkungen auf den Polarwirbel, der sich gerade von seiner normalen Position über dem Nordpol nach Skandinavien verschiebt. In der Folge droht ihm sogar eine vollständige Auflösung.

    Mit dem Polarwirbel ist in der Meteorologie das großräumige Höhentief über den Polen der Erde gemeint, welches jeden Winter durch die fehlende Sonnenstrahlung in einer Höhe zwischen zehn und 50 Kilometern entsteht. Am Rande dieses Wirbels trennt ein starkes Windfeld, der sogenannte Jetstream, kalte Luftmassen der Arktis von der wärmeren Luft im Süden.

    Ein Zusammenbruch, zumindest aber erst einmal eine Verschiebung dieses wahren „Kaltluftmonsters“, vollzieht sich derzeit. Ausgelöst wird ein solcher Vorgang, wenn sich die Luft in der Stratosphäre, also in der Höhe des Polarwirbels, plötzlich stark erwärmt. Meteorologen sprechen dann von einem Major Warming. Entdeckt wurde dieses Phänomen übrigens 1952 vom Berliner Meteorologen Richard Scherhag, als dieser Radiosonden in die Stratosphäre aufsteigen ließ. Daher kommt der Begriff Berliner Phänomen.

    Ein vollständiger Zusammenbruch des Polarwirbels kommt nicht allzu oft vor. Schwächere Erwärmungen, sogenannte Minor Warmings, können in der Stratosphäre hingegen mehrmals pro Winter auftreten, ohne am Ende großen Einfluss auf unser Wetter am Boden zu nehmen. Bricht hingegen der komplette Polarwirbel zusammen, geht das nicht spurlos an den unteren Luftschichten vorbei.

    Ein Major Warming braucht ungefähr zwei Wochen, um sich in den unteren Luftschichten durchzusetzen. In der Zwischenzeit werden Wetterprognosen deutlich schwieriger. Wettermodelle springen häufig von einer Berechnung zur anderen hin und her. In der einen wird schon der Frühling ausgerufen, der nächste Modelllauf sieht dann plötzlich wieder Dauerfrost in der Vorhersage.

    Auch klimatologisch kann eine plötzliche Erwärmung der Stratosphäre folgenreich für den Verlauf eines ganzen Wetterjahres sein. Bestes Beispiel dafür ist das letzte große Warming von 2018. Ende Februar kam es damals, ausgelöst durch eine Stratosphärenerwärmung, zu einem enormen Ausbruch kalter Luftmassen aus nördlichen Richtungen. Der Februar 2018 fiel in Deutschland und Europa prompt zu kalt aus. Ist der Polarwirbel jedoch erst einmal zerstört, kann er sich bis zum Beginn des darauffolgenden Winters nicht regenerieren.

    Das Abfließen der polaren Luft bescherte Deutschland und Europa 2018 zwar einen kurzen Spätwinter mit kalter Luft, beeinflusste aber auch die Entwicklung des weiteren Jahres. Der Sommer 2018 fiel danach deutlich zu warm und trocken aus. Vor allem Mitteleuropa hatte 2018 mit extremer Dürre zu kämpfen, und über Nordeuropa tobten unzählige Waldbrände. Sicher auch unter diesem Eindruck streikte die 15-jährige Greta Thunberg am 20. August 2018 vor dem schwedischen Reichstag erstmals für das Klima.

    Wetter ist aber natürlich nicht gleich Klima. Aufgrund der derzeitigen Stratosphärenerwärmung einen Dürre- und Hitzesommer zu prognostizieren, wäre unseriös. Dennoch beobachten Forscher eine Zunahme von Stratosphärenerwärmungen und machen dafür auch den Klimawandel verantwortlich.

    Hinzu kommt, dass wir in diesem Jahr voraussichtlich aus einer La-Niña-Wetterlage in eine El-Niño-Phase starten werden.

    Während bei La Niña die Wassertemperaturen des Pazifik deutlich zu kalt sind, sorgt El Niño für das Gegenteil. Häufig sind die El-Niño-Jahre die wärmeren. Allerdings wirkt auch hierbei die globale Erwärmung als ein Trendbrecher. Denn das seit Herbst 2020 andauernde La-Niña-Ereignis bescherte uns global trotz der eigentlich abkühlenden Wirkung wärmere Temperaturen als vergangene El-Niño-Ereignisse. Gerade aufgrund der globalen Klimaerwärmung rechnen die meisten Meteorologen wieder einmal mit einem zu warmen Sommer.

    Quelle: BERLINER ZEITUNG, 22.02.2023

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