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Großeinkauf ohne Auto – wie geht das?

    [Utopia-Beitrag] Wie schafft ihr es euren wöchentlichen Großeinkauf ohne motorisierte Verkehrsmittel heim zu bringen???
    Immer wenn ich auf dem Markt oder in einem Geschäft die wöchentlichen Einkäufe besorge, endet die Geschichte damit dass ich überladen bin von all den Lebensmitteln und nicht weiss wie ich die Sachen alle heim bringen soll.
    Da ich kein Auto habe und aus Umweltschutzgründen auch sonst nur mein Fahrrad zur Fortbewegung benutze, würde ich gerne ein paar Tipps bekommen wie ihr es schafft eure Einkäufe ohne ein Auto nach hause zu bekommen.

    Antwort von habito am 28. September 2009

    Der Großeinkauf ist eine Folge der Automobilität. Die kleinen Läden in der Nachbarschaft haben zugemacht, weil „jeder“, der ein Auto hat, im Supermarkt einkauft. Jetzt muss jeder – auch wer kein Auto hat – an den Stadtrand ins Gewerbegebiet fahren, um einzukaufen. Das ist Automoblität: was man früher in 10 Minuten zu Fuß erledigen konnte, braucht heute eine Stunde und Erdöl und Atemluft zum Verbrennen. Mit dem Elektroauto bleibt immer noch die Zeitverschwendung, die Zersiedlung und die grauenhafte Gestalt der Supermärkte.

    Meine Erfahrung: Ende 1990 hat mich mein Dienstherr von Wiesbaden in die Stadt Brandenburg geschickt, um dort alle Sparkassen auf den im Westen üblichen baulich technischen Stand zu bringen. Das Stadtbild von Brandenburg war noch weitestgehend so, wie ich es von früheren Besuchen bei Verwandten oder als Tourist kannte, aus meiner subjektiven Sicht typisch DDR. Blaue Anoraks, graue Gesichter und Fassaden, schlechte Luft, Braunkohle- und Zweitaktergestank, freie Parkplätze, wenig Autos, aber eine funktionierende, wenn auch alte, Straßenbahn, die noch überall durchkam.

    Es gab überall HO-Läden, auch auf den Dörfern, und wenn eine Ansiedlung zu klein war, um Dorf genannt zu werden, gab es eine Versorgung mit dem Lieferwagen. Die Arbeiter des Stahlwerks, die nicht zu Fuß oder mit der Straßenbahn zur Arbeit kamen (Mopeds und Trabis waren die Ausnahme), wurden mit Werksbussen gefahren. Es gab Feierabendheime und gemeinsame Aktivitäten in Nachbarschaften, es gab eine gut organisierte Tauschwirtschaft,… Es war nicht nur schlecht.

    Dann kamen die Versicherungsvertreter, Autohändler und Bauträger. Ich war selber an der planerischen Entwicklung eines Geschäftszentrums in der Mitte der Trabantenstadt Hohenstücken beteiligt, die in Relation zur Einwohnerzahl schwach versorgt war, auch hinsichtlich öffentlicher Plätze und Räume mit Aufenthaltsqualität. Dieses Stadtzentrum ist nicht gebaut worden, aber außerhalb der Stadt auf den Feldern sind Supermärkte in den Dreck gesetzt worden, bei Schmerzke zum Beispiel – welch passender Name! – , immer in größtmöglicher Entfernung zur umgebenden Bebauung.

    Um es kurz zu machen: Mitte 1991 blieb die Straßenbahn im Verkehrsstau der vielen neuen Renaults, BMWs und dergleichen stecken. Stau auf allen Straßen, obwohl die Meisten gar nicht mehr zur Arbeit fahren mussten oder durften. Stahlwerk in Abwicklung, Zuckerfabrik und Molkerei von Westkonzernen übernommen und dichtgemacht, usw. Die kleinen Läden wurden auch geschlossen.

    Wer ein Auto hatte, kaufte in Schmerzke. Und wer auf dem Land lebte oder mitten in der Stadt und kein Auto hatte, der hatte es schwer, noch etwas zu essen zu finden. Gut, nach Schmerzke haben sie dann einen Bus fahren lassen, damit die Innenstadtbewohner auch am Stadtrand in der schönen neuen Warenwelt ihr Geld lassen konnten.

    Ein Einkauf, früher in einer halben Stunde zu Fuß erledigt, brauchte jetzt mindestens drei Stunden, und es war eine elende Plackerei, mit den vollen Plastiktüten die Heimreise im Bus zu machen. Ja, und Wohnhäuser wurden auch am liebsten dort gebaut, wo man nur mit dem Auto bequem hinkommt.

    Es ist überhaupt nicht in meinem Sinne, das Leben auf dem Land schlechtzureden. Eher im Gegenteil – vielleicht würde ich es selber machen, wenn ich ohne Auto dort nicht sehr hungrig und einsam bleiben müsste. Was ich meine, ist, dass dort wo Menschen wohnen, sie auch ihre Grundbedürfnisse befriedigen können müssen.

    Wer Versorgung und soziales Leben vom Besitz eines Autos und den körperlichen und geistigen Fähigkeiten zum Autofahren abhängig macht, schließt einen Teil der Menschheit vom menschenwürdigen Leben aus – und da mache ich nicht mit.