Von allen Seiten werden wir mit Erfahrungen zugeschüttet – zu unseren eigenen kommen jetzt auch noch die fremden.
Es grenzt schon an Völlerei; stumpfsinnig stopfen die Menschen Erfahrungen in sich hinein wie der Hamster die Körner. Die Fresssüchtigen unserer egomanen Selbsterfahrungsgesellschaft zelebrieren sich selbst; und genau wie die Völlerei im Wesentlichen durch Unmäßigkeit gekennzeichnet ist, so gründet der unersättliche Erfahrungshunger auf reiner Maßlosigkeit. …
Begeistern lässt sich der Erfahrungshungrige nur von dem, was seine Gefräßigkeit befriedigt. Ständig ist er auf der Suche, wie der Jäger auf der Pirsch. Dabei hat er gar keinen Hunger mehr, seine Völlerei zerquetscht jedes tatsächliche Bedürfnis. Seine Sucht sitzt im Kopf. Er ist kein Feinschmecker, kein Nascher. Die Gefräßigkeit wählt nicht aus, sie nimmt alles und stopft es hinein. Nie ist es genug, nie ist der Trieb befriedigt; die Jagd wird nie zu Ende sein.
Die Erfahrungssüchtigen pressen alles mit großem Interesse in sich hinein; sie mästen sich mit Tratsch, mit Gerüchten, Geschwätz und Gerede. Jede Kleinigkeit interessiert sie, jedes Geschwafel, und jeder Klatsch wird noch nachgestopft. Bedient wird die Sucht von der Boulevardpresse mit anspruchslosen kleinen Artikeln über Gott und die Welt, aus denen banale Lebensweisheiten gebacken werden – mundfertig zum gefräßigen Konsum.
Entnommen aus: Pater Zoche „Die sieben Todsünden unserer Zeit“, Econ, Berlin, 2008, S. 39f