Im Schnitt arbeitet jeder Deutsche einen Tag pro Woche* nur fürs Auto – ein Fünftel der Arbeitszeit. Ein Fünftel der Lebensarbeitszeit sind 8 Arbeitsjahre. Für eine Maschine, die nur eine Stunde am Tag läuft, nach zwei Jahren unmodern, nach 8 Jahren abgeschrieben, nach 10 Jahren durchgerostet und nach 12 Jahren nicht mehr zu retten ist.
Acte fragt, warum ich die Abschaffung meines eigenen Autos als Komfortgewinn betrachte.
Liebe Acte, das fing in Karlsruhe an, als ich noch im Außendienst arbeitete und abends heim in meine Wohnung am Europaplatz wollte. Das ist innerste City, da wo fast alle Straßenbahnen durchkommen. Aber ich saß nicht in der Straßenbahn, sondern im Auto, und kreiste in immer größer werdenden Radien um meine Wohnung, bis ich eine Parklücke gefunden habe. Am schnellsten fündig wurde ich zwischen 18 und 19 Uhr, weil dann die Läden schon zu waren und die Kneipen noch nicht gut besucht. Aber meistens kam ich später und musste 20 bis 30 Minuten laufen. Zweimal fand ich mein Auto morgens stark beschädigt wieder. Tausende Mark Schaden, aber Unfallflucht.
Dann ging es weiter in Berlin. Wilmersdorf, Nassauische Straße. Gleicher Zirkus, aber mit einem Unterschied: Gleich in der Nähe meiner Wohnung war eine Tankstelle mit Autovermietung, und jedes Mal, wenn ich auf meinen Umlaufbahnen da vorbei kam, habe ich mir gedacht, wie schön es doch wäre, wenn ich meinen Mietwagen da abstellen, den Schlüssel in den Briefkasten werfen und abendessen gehen könnte. Aber ich saß nicht im Mietwagen, sondern in meinem eigenen Gefährt. Die Fahrerei war leider nötig, weil ich ständig auf mehreren Baustellen in Brandenburg unterwegs war. Dann hatte ich schon das Antragsformular für Carsharing ausgefüllt, aber es kam anders:
Umzug nach Oberbayern. Kleinstadt mit Bahnhof an Nebenstrecke. Wohnung am Bahnhof. Auto meist in der Garage. 3.500 km pro Jahr. 1,20 DM Kosten pro Kilometer. Mein Fahrrad, das ich täglich brauchte, musste ich immer erst über das Auto wegheben. Auf das Auto tropfte es aggressiv von der undichten Garagendecke herunter. Schaden. Wertverlust. Dann immer diese Rituale: Reifen wechseln, waschen, putzen, saugen, TÜV, Inspektionen. Wenn ich doch mal fahren musste, frieren im Winter, keine Bewegung; dann irgendwann endlich, kurz vor dem Ziel, heiße Luft. Erkältungen; im Sommer auch, wegen Zugluft. Wenn ich Auto fahre, werde ich krank.
Ende des 20. Jahrhunderts endlich verkauft. Gigantischer Wertverlust. Ein 4 Jahre altes Auto ist zu schlecht für die, die Geld haben, und zu teuer für die, die keines haben. Nie wieder.
Komfort ist etwas anderes: zum Beispiel gefahren werden. Am Ziel einfach aussteigen, sofort, ohne Parkplatzsuche. Ich bin früher so oft rechtzeitig am Ziel angekommen, aber ich konnte nicht raus aus meinem rollenden Gefängnis und musste die Leute warten lassen – schlecht fürs Geschäft.
Mehr als eine halbe Million Kilometer ans Lenkrad geklammert Gummiklötze drücken – es reicht.
*) Die Quelle für die Faustformel „1 Tag pro Woche fürs Auto“ bin ich selbst. Das ist mein Resumee nach dem Lesen von vielen statistischen Berichten aus unterschiedlichen Quellen über Haushaltseinkommen und Ausgaben fürs Kfz – z.B. VCD, Stiftung Warentest („Teures Vergnügen“), BUND („Auto oder mobil“), Umweltbundesamt, Carsharing-Organisationen, Zeitungen. 1/5 des Einkommens fürs Auto passt auch nur für etwa 80% „Normalverdiener“.
Ganz genau sind diese Daten aber auch nicht, weil Vieles nicht berücksichtigt werden kann, zum Beispiel die Kosten für den Autokredit, die Garage, Autopflege, Gebühren, Bußgelder, Führerschein, Schäden, Wertverlust,…
Genauere Daten findet man unter anderem beim Statistischen Bundesamt
07.05.2010