Zum Inhalt springen

Armutsrisiko Eigenheim

    Was gegen Wohneigentum zur privaten Altersvorsorge spricht

    Der Wegfall der Wohnungsbauprämie ist sinnvoll und überfällig, weil jede Subvention, die regional undifferenziert weitere Anreize für Wohnungsbau gibt, nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer und sozialer Sicht verfehlt ist. Das galt auch schon für die inzwischen gestrichene Eigenheimzulage. Wenn jetzt auf Betreiben interessierter Kreise (Bausparkassen, Bau- und Immobilienwirtschaft) erwogen wird, den Erwerb von Wohneigentum über die Riesterrente – also quasi durch die Hintertür – fortzuführen bzw. wieder einzuführen, dann gilt es dabei Folgendes zu bedenken:  

    Staatlich geförderter Wohnungsneubau ist unverantwortlich

    Außerhalb von Wachstumsregionen fördern Subventionen für den Wohnungsneubau weitere Zersiedelung und die Ausweitung von Erschließungsstraßen und Leitungsinfrastrukturen. Indirekt führt das zu einem Anstieg der Wohnungsleerstände in bestehenden Siedlungen und Innenstädten und zu einer wachsenden Ineffizienz der bestehenden Leitungsinfrastruktur.

    Einer wachsenden Infrastruktur, die gewartet und instand gehalten werden muss, steht eine gleich bleibende oder sinkende Anzahl von Nutzerhaushalten gegenüber. Unter den Folgekosten und sozialen Lasten durch verfehlte Siedlungserweiterungen leiden infolge des demographischen Wandels zunehmend mehr Regionen in Deutschland.

    In Wachstumsregionen führt Wohnungsbau, wenn er in zu geringer Dichte und am falschen Ort erfolgt, zu mehr Ressourcenverbrauch (Material, Heizenergie), mehr Verkehr, mehr Bodenversiegelung (z.B. durch die notwendigen Erschließungsstraßen) und mehr Landschaftszerschneidung. Darüber hinaus schreitet die soziale Entmischung von Stadtvierteln weiter fort.

    Gut verdienende Haushalte wandern ins Umland ab und die Kernstädte bleiben auf den Kosten für Sozialleistungen sitzen. Im Hinblick auf künftige Risiken bei der Energiepreisentwicklung, die Probleme bei der sozialen Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen sowie die Entwicklung der Infrastrukturfolgekosten sollte bei nachgewiesenem Wohnraumbedarf nur in gut integrierten Siedlungsschwerpunkten und in ausreichend verdichteter Bauweise neu gebaut werden.

    Wohnungsbausubventionen erhöhen heute das Immobilienpreisniveau, ohne dass dem aus volkswirtschaftlicher Sicht ein nachhaltiger Gewinn an Arbeitsplätzen oder eine technologische Innovation oder ein Effizienzgewinn bei der Ressourcennutzung gegenüberstünde. Im Gegenteil, die Ressourceneffizienz verschlechtert sich mit jedem zusätzlichen Gebäude und mit jeder Siedlungserweiterung, der Mobilitätsaufwand und die Mobilitätskosten nehmen zu.

    Wohnungsbausubventionen sind auch nicht primär dafür gedacht, die private Bau- und Immobilienwirtschaft oder die Bausparkassen zu päppeln. Siedlungs- und Städtebau ist in der Hauptsache vielmehr eine öffentliche Angelegenheit, schließlich tragen die Kommunen die finanzielle Hauptlast für den Unterhalt auch und gerade der Wohngebiete.

    Pläne, das Wohneigentum künftig in die Altersvorsorge (Riesterrente) einzubeziehen, sind deshalb kritisch daraufhin zu betrachten, ob sie aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht Ziel führend sind. Subventionen mit der Gieskanne, noch dazu, wenn sie den Menschen eine nicht vorhandene Sicherheit fürs Alter suggerieren, ja ihnen regelrecht zusätzliche Risiken aufbürden, sind abzulehnen.

    Die Risiken des Wohneigentums

    Der Neuerwerb von Wohneigentum in Schrumpfungsregionen (ob Neubau oder Bestand, im Westen wie im Osten) birgt ein hohes, an Sicherheit grenzendes Risiko, dass dieses Wohneigentum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen starken Wertverlust erleiden wird.

    Die Zins- und Tilgungslasten, die ein Haushalt dafür aufbringt, stehen in einem sehr ungünstigen Verhältnis zur Miete, die der Haushalt während der Tilgungsphase und im Alter spart, so dass es aus Sicht der Vermögensbildung insgesamt Ziel führender gewesen wäre, wenn der Haushalt das Geld für Zins und Tilgung (abzüglich Miete) in den Sparstrumpf gesteckt oder in festverzinslichen Wertpapieren angelegt hätte.

    Hinzu kommt, dass aufgrund der demografischen Entwicklung die Zahl potenzieller Kaufinteressenten in Ost wie West ausgerechnet dann ihren Tiefpunkt erreichen wird, wenn viele verkaufen wollen oder gar müssen. So sind im Berliner Umland die Wiederverkaufswerte von Eigenheimen bereits in den letzten zehn Jahren im zweistelligen Prozentbereich gefallen, obwohl das Berliner Umland innerhalb Ostdeutschlands zu den wenigen Wachstumsregionen zählt.

    Allein in Ostdeutschland ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der Menschen im Alter von 30 bis 49 Jahren, die als Eigenheim-Erwerber besonders aktiv sind, sich von heute rund 4,5 Millionen auf weniger als 3,5 Millionen im Jahr 2020 verringern wird. Das ist ein Verlust von etwa einem Viertel innerhalb von 15 Jahren. Aber auch danach werden die Eigenheim-Erwerberjahrgänge in Ostdeutschland weiter schrumpfen – nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit auf nur noch rund 2 Millionen im Jahr 2040.

    Die Nachfrage nach Wohneigentum und die Verkauferlöse von Häusern, Eigentumswohnungen und Grundstücken in Ostdeutschland könnten dadurch ständig weiter sinken. Weder der Trend zur Verringerung der Haushaltsgrößen noch der zur Zunahme des Anteils der Einpersonenhaushalte können die Auswirkung einer solch ausgeprägten Bevölkerungsabnahme kompensieren.

    Besonders fatal wirkt sich der Immobilienpreisverfall aus, wenn das Wohneigentum dazu dienen soll, die möglichen Kosten einer Pflegebedürftigkeit abzudecken.

    Im Hinblick auf gesundheitsbedingte Mobilitätsbeschränkungen im Alter ist die undifferenzierte Förderung von Wohneigentum auch insofern abzulehnen, als neu errichtetes Wohneigentum – insbesondere in der Form freistehender Einfamilienhäuser – häufig in verkehrlich schlecht integrierten Lagen zu finden ist.

    Förderwürdig aus der Sicht der Mobilität im Alter ist allenfalls Wohneigentum in städtebaulich gut integrierten Lagen mit einer guten Nahversorgung im Wohnumfeld und einem guten Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr.

    Eine Beschränkung der Förderung auf selbst genutztes Wohneigentum bedeutet auch eine erhebliche Mobilitätseinschränkung von Arbeitnehmern. Müssen Arbeitnehmer wegen Arbeitsplatzwechsel aus der Region wegziehen und wollen sie das Wohneigentum vermieten oder verkaufen, dann verlieren sie im ersten Fall die Förderung oder sie müssen auf eine andere Anlageform umschichten. Im zweiten Fall sind sie gehalten, neues Wohneigentum zu erwerben und die Ansprüche auf das neue Objekt zu übertragen. In beiden Fällen entsteht ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand.

    Fazit:
    Statt staatliche Mittel für ein „Riestern“ auf Wohneigentum fehlzuleiten, sollten
    • Maßnahmen zum altersgerechten Umbau von Wohnungen (und zwar sowohl von Mietwohnungen als auch von Eigentumswohnungen) im Bestand gefördert werden, um alten Menschen ein möglichst langes, selbst bestimmtes Leben in der angestammten Wohnung zu ermöglichen,
    • Umbau- und Aufwertungsmaßnahmen gefördert werden, die Familien den Verbleib in der Stadt erleichtern,
    • Energiesparmaßnahmen an bestehenden Gebäuden verstärkt werden. Niedrige Heizkosten kommen über verringerte Wohnnebenkosten auch und gerade Rentnern zugute;
    • genügend kompakte und somit kostengünstige Siedlungsstrukturen erhalten werden, in denen Leitungsinfrastrukturen und der öffentliche Personennahverkehr rentabel und mit guter Qualität betrieben werden können, sowie
    • die Bevölkerung im Rahmen der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit über die Risiken des Erwerbs von Wohneigentum aufgeklärt werden.

    Wenn wirklich der Erwerb von Wohneigentum gefördert werden soll, dann sollte durch die Zertifizierungsbehörde sichergestellt werden, dass
    • in der jeweiligen Region bis zum Ablauf der Lebenserwartung des Antragstellers kein demographisch- oder migrationsbedingter Wertverfall der Immobilienpreise zu erwarten ist und
    • die Wohnung selbst so konzipiert und ausgestattet und so gut gelegen ist (Nähe und Erreichbarkeit von Infrastruktur wie insbesondere Nahversorgung, medizinische Einrichtungen, Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr), dass sie auch wirklich für Menschen bis ins hohe Alter gebrauchstauglich ist.

    Neubauten, die nach einem bestimmten Stichtag (ab Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes) auf der Grünen Wiese errichtet wurden, müssen auf jeden Fall von der Förderung ausgenommen werden, damit nicht weitere Zersiedelung gefördert und die allergrössten Risiken von vornherein ausgeschlossen werden.

    Ansprechpartner
    Gertrude Penn-Bressel, Umweltbundesamt, Leiterin des Fachgebietes „Raumbezogene Umweltplanung“, Gertrude.Penn-Bressel@UBA.de
    Ulrich Kriese, Siedlungspolitischer Sprecher des NABU, Ulrich.Kriese@NABU.de  

    Links und Literatur

    Presseinformation des Umweltbundesamtes und weiterführende Links und speziell zum Thema Wohnungsbauförderung, Hintergrundpapier des Umweltbundesamtes, Juli 2004 (PDF)
    „Urban – kompakt – durchgrünt“, Strategien für eine nachhaltige Stadtentwicklung, Vortrag von Gertrude Penn-Bressel, 2005 (PDF)
    Landschaftsverbrauch zurückfahren! Gemeinsames Positionspapier der Umwelt- und Naturschutzverbände, Mai 2006

    Der demografische Wandel

    IAB-Kurzbericht Nr. 19/2005
    Informationen der Bundeszentrale für Politische Bildung
    Mehr Wert für die Fläche: Das “Ziel 30-Hektar” für die Nachhaltigkeit in Stadt und Land, Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung an die Bundesregierung, Juli 2004 (PDF)

    Quelle: NABU 2007

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert