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Risse in der Eiskappe des Nordpols – Das Eis der Arktis hat Löcher

    Zeichen der Klimaveränderung? Die Klimaexperten sind sich uneinig.

    Die Forscher und Touristen auf einer Kreuzfahrt zum Nordpol erwarteten meterdickes Eis. Das Erstaunen war groß, als der russische Eisbrecher „Yamal“ durch eine 1,6 Kilometer breite Wasserstraße pflügte. „Die Eisschicht ist so dünn, dass das Sonnenlicht das Planktonwachstum unter dem Eis ankurbeln könnte“, erzählte der Ozeanograf James J. McCarthy der „New York Times“. Die Passagiere hätten „die globale Erwärmung zum ersten Mal wirklich gesehen“, zitierte die Zeitung Touristen.

    Ist die beobachtete Eisschmelze tatsächlich ein untrügliches Zeichen für den menschengemachten Treibhauseffekt? Für den Klimaforscher Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg ist es ein klares Indiz. Das Meereis in der Arktis werde seit Jahrzehnten dünner. Tatsächlich hat die Dicke des Packeises am Nordpol in den letzten vierzig Jahren um durchschnittlich 45 Zentimeter abgenommen, wie es in einem Bericht der Weltraumbehörde Nasa heißt.

    Natürliche Erscheinung?

    Dass der arktische Eisschild dünner und dünner wird, darüber sind sich die Klimaexperten einig. Unterschiedliche Meinungen gibt es allerdings bei der Frage, ob die beobachtete Eisschmelze mit der Klimaerwärmung zu tun hat.

    Der Berner Klimatologe Thomas Stocker empfiehlt, sich lieber auf Eismessungen und Modellrechnungen zu stützen als auf Erscheinungen, die auch durch natürliche Phänomene erklärbar seien. „In der Arktis wie auch in der Antarktis reißen Winde immer wieder Löcher ins Eis.“ Auch Heinz Miller, Geophysiker am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, findet das, was die Touristen an Bord der „Yamal“ erlebten, nicht besonders aufregend. Die offene Wasserstrasse habe etwas mit der Mechanik des Meereises zu tun, nicht mit der Klimaerwärmung.

    Und Geologen, die in Jahrmillionen dauernden Abläufen denken, sind bei solchen Einzelereignissen ohnehin vorsichtig. So erklärt der Bonner Geologe Thomas Werner im deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Dieses Eis steht unter erheblichen Spannungen. Da ist es schon denkbar, dass zum Teil großflächige Risse entstehen, gerade an Stellen, an denen der Eispanzer dünner ausgeprägt ist.“

    Wie auch immer das Erlebnis am Pol zu werten ist. Tatsache ist: Die 13 Millionen Quadratkilometer große Polkappe ist in den vergangenen dreißig Jahren auf rund elf Millionen Quadratkilometer geschrumpft. „Die Abschmelzung am Nordpol ist kein Beweis, aber einer der wichtigsten Indizien für eine Klimaerwärmung“, sagt Klimatologe Thomas Stocker.

    Alle Modelle würden darauf hinweisen, dass die größten Veränderungen bei einem Klimawechsel in den hohen nördlichen Breiten zu spüren seien. Das belegen auch Studien der Scripps Institution of Oceanography im kalifornischen La Jolla. Der Befund der Forscher:

    Die plötzliche Erwärmung, die das Ende der letzten Eiszeit auslöste, begann im hohen Norden und nicht in den Tropen. Die Wissenschafter hatten die chemische Zusammensetzung von Spurengasen untersucht, die in Gasblasen von Eiskernen aus Grönland gefangen waren. Dabei stellten sie fest, dass sich die Nordpolregion 20 bis 30 Jahre vor den Tropen um sechs bis zwölf Grad erwärmte. Verblüffend sei ebenso, so Thomas Stocker, dass moderne Klimamodelle, welche die arktische Eisbedeckung berücksichtigen, die beobachtete Ausdünnung des Eisschildes bestätigten.

    Bojen im Eis

    Eismessungen und Modellrechnungen geben Anhaltspunkte. Über die genaue Ursache der Abschmelzung sind sich die Forscher jedoch noch nicht einig. Aufschluss über die Auswirkung des Arktischen Ozeans auf das Klima soll nun ein amerikanisches Projekt geben: Forscher der National Science Fondation haben in der Arktis Bojen ausgesetzt, die mit dem Eis treiben und unter anderem Luftdruck, Wassertemperatur, Salzgehalt und Eisdicke messen.

    Quelle: Martin Läubli, Tages-Anzeiger 24.08.2000

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