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Prince Charles hatte doch Recht

    Badeort Saaside In Florida

    Mit dem Badeort Saaside In Florida begann 1980 der „New Urbanism“, eine amerikanische Bewegung für traditionelle Architektur und Stadtplanung. International bekannt wurde Seaside als Schauplatz des Filmes „Truman Show“

    Harald Bodenschatz wirbt für traditionelle Architektur aus den USA

    Von RAINER HAUBRICH – Die Welt 17.01.2001

    Die Berliner Architekturszene steht noch immer unter dem Adlon-Schock. Dass am Ende des 20. Jahrhunderts der bereits totgeglaubte Traditionalismus noch einmal sein Haupt erhebt und sogar in den eigenen Reihen wohlwollende Duldung erfährt, damit hatte man in einer der Hochburgen der Moderne nicht gerechnet. Dabei vollzieht Berlin seit dem Fall der Mauer eine Entwicklung nach, die besonders in den angelsächsischen Ländern schon viel weiter ist. Zu den prominentesten Förderern des Neutraditionalismus gehört Prince Charles, der 1989 mit seinem Buch „A Vision of Britain“ die Ideen des amerikanischen „New Urbanism“ auch in Europa bekannt machen wollte.

    In Berlin erhalten die Anhänger eines stärker an vormodernen Traditionen orientierten Städtebaus nun auch Unterstützung durch den Architektursoziologen Harald Bodenschatz, der als Professor an der Technischen Universität zu einem Milieu zählt, in dem man Sympathien für diese Bewegung bisher nicht vermutet hätte. In einem vielbeachteten Vortrag vor vollem Haus berichtete er am Donnerstag in der Technischen Universität von seinen einer fünfmonatigen Forschungsreise durch die Vereinigten Staaten, bei der er insgesamt 38 Projekte des „New Urbanism“ kennen gelernt hatte.

    Als Keimzelle des „New Urbanism“ zählt das kleine Städtchen Seaside, eine Neuschöpfung vom Reißbrett, die 1980 in Florida entstand. Entwickelt wurde sie von einem der Pioniere der Bewegung, Robert Davis, der während seines Aufenthaltes an der American Academy in Rom die Strukturmerkmale italienischer Kleinstädte studiert hatte. Nicht zuletzt seine Lage an einem der schönsten Dünenstrände Floridas habe Seaside zu einem der auch finanziell erfolgreichsten Musterbeispiele werden lassen.

    Wer hier bauen wollte, musste strengen Bauvorschriften folgen: Holz als Material, Veranda zur Straßenseite, stehende Fenster und eine limitierte Farbpalette aus Weiß und Pastelltönen. Für den Autoverkehr auf den schmalen Straßen gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern, der Fußgänger genießt Priorität. Wie Bodenschatz beobachtete, „schlägt sich der heitere Gesamteindruck”, den nicht zuletzt die neoviktorianische Architektur bewirke, „auch auf die Menschen nieder“.

    Bei der Planung neuer Ortsteile des „New Urbanism“ entsteht der Städtebau vor der Einzelarchitektur. Eine Planwerkstatt aus Investoren, Stadtplanern und Anwohnern entwickelt ein Muster aus Straßen, Plätzen und Grünanlagen, die traditionellen Mustern folgen. Wichtig ist eine Hierarchie der Orte, vom Zentrum mit öffentlichen Einrichtungen, Büros und Läden bis zum Einzelhausbezirk. Es wird eine Mischung verschiedener sozialer Schichten und Altersgruppen angestrebt.

    Der „New Urbanism”, darauf wies Bodenschatz hin, ist bisher eine Bewegung vor allem des weißen Mittelstandes. Die neuen Ensembles sind inzwischen so erfolgreich, dass sie überall im Lande von Projektentwicklern auf oberflächliche Weise kopiert werden. Im Windschatten der Originale segeln unzählige verkitschte Kopien, die mit den Grundprinzipien des „New Urbanism“ kaum noch etwas gemein haben und dessen Ideen schaden.

    Für Hardcore-Modernisten muss der „New Urbanism“ mit seinem erfrischenden Pragmatismus ein Buch mit sieben Siegeln bleiben. Das bewies die anschließende Diskussion, bei der sich die letzten Vertreter dieser aussterbenden Spezies zu Wort meldeten und das Fehlen „gesellschaftsverändernder Visionen” beklagten. Ob nicht das „Planwerk Innenstadt” eine Art Berliner „New Urbanism“ sei, lautete eine andere Frage – die Bodenschatz bejahte.

    Strukturell ist diese Verwandtschaft ohne Zweifel vorhanden. Ein gewichtiger Unterschied allerdings blieb unerwähnt: Traditionelle Architektur für das einzelne Haus wird in Berlin immer noch in eine Randexistenz abgedrängt.

    New Urbanism im Netz: www.cnu.org

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