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Kritik der Eigentumswohnung

    Die Eigentumswohnung lockt als Ausweg aus der Preisspirale am Wohnungsmarkt. Dieser Traum ist jedoch nur für die obere Mittelschicht realisierbar, er erfordert Ersparnisse oder sichere Arbeitsverträge. Die Mittelschicht schrumpft jedoch seit über 25 Jahren. Aktuell hat die BRD den größten Niedriglohnsektor in Europa und ein guter und gesicherter Arbeitsvertrag ist ein ebensolches Privileg geworden wie ein günstiger, meist älterer Mietvertrag.

    Doch auch mit dem Wohneigentum hören die Probleme nicht auf. Erstens verdrängt man andere: Eigentum entsteht oft aus Umwandlung, die Vormieterinnen müssen gehen und das Mietangebot schrumpft. Wer dabei kein schlechtes Gewissen hat, kann eine Eigentumswohnung bis zur Hälfte der Wand kaufen und ist daran ein Leben lang gekettet: Die Wohnung wächst bei Familiengründung nicht mit und halbiert sich auch nicht bei Trennungen – Eigentum ist unflexibel.

    Die neu zusammengewürfelten Gemeinschaften von Eigentümerinnen in den scheibchenweise verkauften Häusern bringen vor allem die Nachteile dieser vermeintlichen Kollektivität zum Vorschein, ohne dass sich irgendein Vorteil kollektiven Wohnens zeigen würde. Denn hier muss sich eine Gruppe von Leuten einigen, die nichts gemeinsam hat, außer der Hoffnung, sich durch Wohneigentum mit niemandem mehr einigen zu müssen.

    Selbst in vorher gut funktionierenden Hausgemeinschaften bricht nach der Umwandlung in Eigentumswohnungen schnell ein Kleinkrieg aus. Diese Zweckgemeinschaften mit hohem Konfliktpotential werden zudem bereits im Entstehungsprozess von Immobilienfirmen gern manipuliert. Ein beliebter Trick:

    Die Firma wandelt 49% eines Altbaus in Eigentum um und verkauft sie, um dann mit der verbliebenen Mehrheit von 51% teure Sanierungsmaßnahmen durchzusetzen. Die Maßnahmen steigern den Wert der Unternehmensanteile, müssen jedoch von allen mitbezahlt werden. So zahlten etwa in der Frankfurter Allee die Käuferinnen der einst volkseigenen DDR-Bauten gleich zweifach für die Profite des Unternehmens – einmal mit dem Kaufpreis, danach durch die überteuerte Sanierung.

    Das Immobilienkapital macht vor: Eigentum ist Diebstahl. Deshalb lehnen wir diese Form der „Kollektivität“ ab. Auch ohne derart gerupft zu werden, geraten viele Käuferinnen durch den Kredit für das Eigenheim in Abhängigkeit und Finanznöte. Wegen der niedrigen Zinsen verschulden sich derzeit Wohnungskaufende im Durchschnitt etwa ein Drittel höher, als sie es sich sonst leisten können. Da die Zinsen in Kreditverträgen oft nur auf zehn Jahre festgeschrieben sind, aber 25-30 Jahre abbezahlt werden müssen, kann ein Wiederanstieg der Zinsen schnell zum Alptraum werden: Mit der Erhöhung der Raten kann der Traum vom Eigentum für die Schuldnerinnen in der Privatinsolvenz enden.

    Viele hoffen, dass die Wertsteigerung der Wohnung diesen Effekt ausgleicht. Doch genau dies ging in der Vergangenheit schon schief: Es waren nicht zurückgezahlte Wohnungskredite, die die Immobilienblasen in den USA und Spanien 2008 zum Platzen brachten. In beiden Ländern dominiert das Eigentum gegenüber der Miete, beide Länder erlebten ab 2008 mehrere Wellen von Zwangsversteigerungen, in denen hunderttausende Familien ihre Wohnung verloren.

    Doch auch jenseits von Immobilienkrisen zeigt sich das zerstörerische Potenzial der Eigentümergesellschaft: Wo das Wohneigentum dominiert, etwa in Südeuropa, ist auch die soziale Ungleichheit höher. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Abwesenheit eines Mietmarkts machen es hier vielen jungen Menschen, für die Wohneigentum unerschwinglich ist, unmöglich, in eine eigene Wohnung zu ziehen.

    Auch historisch war Eigentumsförderung kein Mittel des sozialen Ausgleichs, sondern ein Werkzeug der Gegenrevolution. In den USA mit Reagan, in Großbritannien unter Thatcher, im Moskau der Jelzin-Ära – überall war es das Versprechen von Wohneigentum, das die Privatisierung der öffentlichen Wohnungsbestände antrieb.

    In London etwa wurde die Privatisierung des Sozialen Wohnungsbaus als Wohltat für die Mieterinnen angepriesen. Auch wenn einige Sozialmieterinnen ein gutes Geschäft gemacht haben mögen – massive Wohnungsnot für die ganze Stadt war die Folge, die bis heute andauert.

    Trotz all dieser Nachteile wird die Eigentumsförderung noch immer propagiert. Staatliche Bausparprämien und Fördermittel sollen die Menschen ins Eigentum treiben. Eigentum ist beliebt bei den Konservativen – wer Eigentum hat, rebelliert nicht so schnell. Mit einer Hypothek am Hals überlegt man sich zweimal, in einem Arbeitskampf seinen Job zu riskieren. Und wer soviel Eigentum hat, dass er oder sie vermieten kann, lebt ohnehin von der Wohnungsnot anderer.

    Eigentum ist daher nicht die Lösung, sondern das Problem. Jedoch kein moralisches. Denn niemand soll sich schuldig fühlen, der eigenen Wohnraum selbst oder mit anderen nutzt. Das Problem ist nicht das Wohneigentum als Gebrauchswert, sondern als Tausch- und als Spekulationsobjekt.

    Wir können uns aus der Wohnungskrise also nicht mit Bausparverträgen herauskaufen. Im Gegenteil: Jeder staatliche Euro an Eigentumsförderung ist ein Euro zu viel. Verschiedene Regierungskoalitionen haben sich bemüht, Berlin in den Abgrund der „ownershop society“ zu stürzen – durch Privatisierung, Förderung privater Baugruppen und Anbiederung ans Immobilienkapital. Dennoch: Noch immer leben in unserer Stadt 85% der Menschen zur Miete.

    Das ist ein strategischer Vorteil. Den Kampf um Wohnraum können wir solidarisch führen: Die Mieten müssen für alle bezahlbar bleiben, damit alle bleiben können. Wir brauchen keinen privaten, sondern einen öffentlichen Wohnungsmarkt, keine Eigentumsförderung, sondern Sozialen Wohnungsbau.

    Quelle:

    Das rote Berlin. Strategien für eine sozialistische Stadt

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