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Jährlich weltweit über 800000 Verkehrstote

    „Eine Politik der kleinen Schritte, die zum bloßen Durchwursteln degeneriert, führt uns unweigerlich ins sozialökologische Chaos.“

    „Nehmen wir die Zukunftsfähigkeit der Autogesellschaft als Beispiel“, vermittelte Niels. „Dass sechs Milliarden Menschen weltweit nicht in gleicher Weise Auto fahren können wie Europäer und Nordamerikaner ist wohl offensichtlich. Schon gegenwärtig haben wir jährlich weltweit über 800000 Verkehrstote zu beklagen. Eingedenk der Dunkelziffer dürften es über eine Million sein. Dazu kommt noch die mindestens zehnfache Zahl mehr oder minder schwer Verletzter. Und das sind nur die direkten Folgen des Autowahns. Zu den vielen mittelbaren Auswirkungen zählt auch das Waldsterben und der Treibhauseffekt. Der automobile Individualverkehr ist die mit Abstand gefährlichste Ziviltechnik. Weitaus schlimmer als z.B. die Kernkrafttechnik. Ich denke, die Unvernunft des Autowahns ist offensichtlich. Wie konnte es dazu kommen und warum tut niemand etwas dagegen? Die sogenannten Entwicklungsländer eifern den Industrienationen bloß nach und werden das Problem zukünftig wesentlich verschärfen.“

    „Die Unvernunft der Autogesellschaft sei `mal dahingestellt“, wandte Franz ein. „Das Auto ist die rationalste Lösung eines objektiven Verkehrsproblems. Dem Einzelnen befriedigt es das Bedürfnis, jederzeit an jeden Ort gelangen zu können; sei es zum Vergnügen oder bloßem Transport.“

    „Du hast sehr schön zugespitzt, worum es den kritischen Theoretikern geht“, hob Niels an. „Das Verkehrsproblem ist weder objektiv, noch ist eine Lösung ausschließlich individuell möglich. Damit wird Deine Rationalität zur Ideologie. Am Anfang der Automobiltechnik stand in der Tat das von Dir hervorgehobene individuelle Bedürfnis. Aber warum sollte man es zur gesellschaftlichen Maxime erheben? Ins Grüne oder zur Arbeit komme ich auch mit der Bahn. Und im Nahbereich kann ich Radfahren oder zu Fuß gehen. Unter den gegebenen technischen Bedingungen halte ich eine vernünftig organisierte Gesellschaft für möglich, die ohne automobilen Individualverkehr auskommt … „

    „Das ist doch technisch verbrämter Kollektivismus! Wenn ich Lust aufs Autofahren habe, will ich losfahren; wann und wohin auch immer!“ ereiferte sich Franz.

    „Also Willkür statt Vernunft?“ fragte Niels ironisch. „Deine Haltung ist nicht wissenschaftlich, sondern bloß kindisch. Wie drückte es Postman in einem Buchtitel aus: Wir amüsieren uns zu Tode.“

    „Warum sollen Wissenschaft und Technik nicht auch Spaß machen können?“ wandte Franz ein.

    „Weil sie inzwischen zu einer globalen Bedrohung geworden sind. Sie stellen uns zunehmend vor Probleme, die wir ohne sie gar nicht hätten“, spitzte Niels zu.

    „Wie sich Freiheit und Vernunft in Einklang bringen lassen“, meldete sich ein Schüler zu Wort, „zeigt doch sehr schön das Internet. Mein Motto lautet: Informationsgesellschaft statt Autogesellschaft !“

    „Wie sich Positivismus und Willkür paaren“, begann Pieter, „hat Franz uns in entlarvender Offenheit vorgeführt. Die aufs Ganze zielende, an vernünftige Zwecke orientierte Kritik bleibt Aufgabe der Sozialphilosophie. Nur in Teilbereichen nützliche Mittel können verabsolutiert ins Chaos führen. Wenngleich ich die Informationsgesellschaft für zukunftsfähiger als die Autogesellschaft halte, hat sie sich dennoch der dialektischen Kritik zu stellen. Auch beim Informationismus könnte es sich um eine neue Ideologie handeln.“

    http://www.tu-harburg.de/rzt/rzt/it/sofie/node85.html

    01.08.2000

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