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Grüne Oasen in überhitzten Betonwüsten

    Waldgärten sind die Zukunft des Urban Gardening

    Berlin boomt, überall wird gebaut. Vielerorts müssen auch Grünflächen, für die die Metropole berühmt ist, neuen Wohnungen weichen. Doch wenn es nach Jennifer Schulz geht, soll sich das Grün wieder besondere Plätze erobern – in Gestalt sogenannter Waldgärten. Der Vorteil: Diese wären Wald, Obst- und Gemüsegarten sowie Gemeinschaftsorte zugleich.

    Pflaumen-, Aprikosen- und Apfelbäume bilden mit ihren Kronen das Dach. Geschützt darunter stehen Beerensträucher wie Johannis-, Stachel- oder Himbeere, zu deren Füßen wiederum Stauden, Wurzelgemüse und Kräuter Platz finden. „Ein Waldgarten orientiert sich an der Struktur des Ökosystems Mischwald“, erklärt Jennifer Schulz. „Er ahmt die drei Schichten nach, aber mit essbaren Pflanzen.“ Mit ihren Kollegen Torsten Lipp und Andreas Zurell vom Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam untersucht die promovierte Landschaftsplanerin, ob sich Waldgärten in der Stadt realisieren lassen. Gemeinsam entwickeln sie einen Plan dafür – von der Standortsuche bis zur gemeinschaftlichen Ernte.

    Für Jennifer Schulz verkörpern Waldgärten die Zukunft des Urban Gardening. Sie machen es etwa möglich, verschiedene Nutzpflanzen auf relativ wenig Raum zu kultivieren. Im Idealfall ergänzen sich die Pflanzen im Licht-, Wärme- und Wasserbedarf durch unterschiedliche Wurzellängen und Wuchshöhen sowie individuelle Vorlieben. Mit einer gezielten Auswahl und Kombination von Arten und Sorten kann der Waldgarten fast das ganze Jahr hindurch Erträge liefern.

    „Gleichzeitig brauchen wir, gerade in Städten, wo viel gebaut wird, dringend die ökologische Funktion des Waldes“, erklärt Schulz. „Ein paar begrünte Dachterrassen reichen da nicht.“

    Das Ökosystem Waldgarten dient als CO2-Speicher, als kühlender Gegenpol zu überhitzten Betonwüsten und der Erhaltung der Artenvielfalt. Und es sorgt für sich selbst: Aus abgestorbenen Pflanzenteilen entsteht neuer Humus, der abermals nährt und vor Erosion bewahrt. Im vielschichtigen Biotop finden zahlreiche Tiere ein Zuhause – die Nützlinge unter ihnen halten Schädlinge fern.

    Nicht zuletzt eröffnen Waldgärten gesellschaftliche Perspektiven. „In Städten müssen die wenigen Grünflächen soziale Aufgaben übernehmen“, erklärt Schulz eines der wichtigsten Ziele ihres Projekts: „Waldgärten sollen Orte sein, an denen Menschen langfristig gemeinsam gärtnern, Lebensmittel anbauen und Klimaoasen schaffen, in denen Umweltbildung und Begegnungen zwischen Generationen möglich sind.“

    Schon während ihres Studiums war Jennifer Schulz dem Konzept der Waldgärten begegnet und untersuchte die ökologischen Vorteile dieser Anbauweise. Später legte sie für einen Kunden einen Garten mit über 500 essbaren Pflanzen an. Als sie dann in der Zeitung las, Berlin wolle zur „essbaren Stadt“ werden, schlugen sie und Torsten Lipp dem Bundesamt für Naturschutz vor, Waldgärten zu erproben.

    In einer Voruntersuchung ermittelt das Team derzeit, ob es in einer Großstadt wie Berlin überhaupt geeignete Flächen gibt. „Wir haben ein komplexes Verfahren zur systematischen Standortsuche entwickelt“, so Schulz. Sind die Flächen groß genug? Unbebaut? Gut erreichbar? Wo würden Waldgärten einen Beitrag zu Klimaschutz, grüner Infrastruktur und Umweltbildung leisten? Und vor allem: Gibt es Menschen in der Nachbarschaft, die den Garten dauerhaft bewirtschaften?

    Der letzte Schritt sei nur in unzähligen Gesprächen zu gehen – mit dem Berliner Senat, Grünflächenämtern, Kleingärtnerverbänden, Naturschutzorganisationen und Urban Gardening-Akteuren. „Ich habe noch nie ein Projekt erlebt, in dem ich so viel Euphorie begegnet bin, vor allem in den Bürgerinitiativen“, so Schulz.

    Inzwischen sind drei mögliche, sehr verschiedene Standorte in Berlin identifiziert. „Seit Juni setzen wir uns in einem Werkstattverfahren mit den Menschen vor Ort zusammen.“ Wenn alles gut geht, werden die ersten Waldgärten Anfang 2021 angelegt. Schulz und Lipp wollen das Projekt wissenschaftlich begleiten. Im Idealfall macht das Modell Schule und man könnte überall in Deutschland Waldgärtner bei der Arbeit antreffen – mitten in der Stadt.

    Inzwischen sind drei mögliche, sehr verschiedene Standorte in Berlin identifiziert. „Seit Juni setzen wir uns in einem Werkstattverfahren mit den Menschen vor Ort zusammen.“ Wenn alles gut geht, werden die ersten Waldgärten Anfang 2021 angelegt. Schulz und Lipp wollen das Projekt wissenschaftlich begleiten. Im Idealfall macht das Modell Schule und man könnte überall in Deutschland Waldgärtner bei der Arbeit antreffen – mitten in der Stadt.

    Quelle: Matthias Zimmermann im Berliner Tagesspiegel am 15.06.2019

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