Verordnung gegen Zweckentfremdung einfach zwecklos?
DER TAGESSPIEGEL 31.01.2014 Das Zweckentfremdungsverbot für ganz Berlin steht unmittelbar bevor. Neben Vermietern von Ferienwohnungen können auch Freiberufler, Tagesmütter oder teilgewerbliche Wohnungsnutzer betroffen sein. Die neue Berliner Zweckentfremdungsverbot-Verordnung ist seit vergangener Woche beschlossene Sache und tritt in Kraft, wenn der Rat der Bürgermeister zugestimmt hat; das dürfte im Laufe der nächsten Tage bei dieser Formalie der Fall sein. Die neue Verordnung soll die Umwandlung von Wohnraum in Büros oder Ferienwohnungen verhindern bzw. rückgängig machen. Auch gegen den Abriss und „spekulativen Leerstand“ sollen die neuen Regelungen helfen. Das alte Zweckentfremdungsverbot hatte das Oberverwaltungsgericht zum Jahr 2000 aufgehoben. Alles auf Null also?
Zweckentfremdete Gesetze
Warum braucht Berlin eine Verordnung gegen Zweckentfremdung? Jede Änderung der genehmigten Benutzungsart bedarf genau wie die Errichtung eines Gebäudes einer Baugenehmigung. Das Baugesetzbuch, die Baunutzungsverordnung und die Landesbauordnung regeln genau und unmissverständlich das Verfahren, die Bedingungen und die Ausschlusskritereien der Nutzungen und Nutzungsänderungen.
Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts wurden Nutzungsänderungen einschließlich Leerstand als Ordnungswidrigkeit geahndet. Dann wurden Gerichte angehalten, im Interesse der Immobilienwirtschaft diese Vergehen nicht mehr als solche zu erkennen. Insbesondere der Leerstand darf nun nicht mehr als Zweckentfremdung angesehen werden. Nicht weil das so Gesetz ist, sondern weil es die Immobilienwirtschaft so will.
Was soll ich über Politiker denken, die nach dem Motto handeln „Wieso soll ich alte Gesetze achten, wenn ich täglich neue machen kann?“
Zweckentfremdung
Wer eine Wohnung bauen will, muss sich eine Baugenehmigung beschaffen. Diese Baugenehmigung genehmigt den Bau einer Wohnung. Wer statt der genehmigten Wohnung eine Werkstatt, einen Laden oder sonst etwas anderes baut, der baut ohne Genehmigung.
Wer eine Wohnung nicht mehr als Wohnung nutzen will, sondern für gewerbliche Zwecke, muss sich für die neue Nutzung wieder eine Genehmigung holen – eine Baugenehmigung, obwohl vielleicht gar nichts umgebaut wird. Die Vermietung einer Wohnung als Ferienwohnung ist ein Gewerbe, und diese Umnutzung oder Zweckentfremdung bedarf der Genehmigung.
Ärgerlich ist für Wohnungssuchende, dass Wohnungen von ihren Mietern zweckentfremdet werden – ohne Wissen des Eigentümers, ohne Genehmigung und ohne das Gewerbe anzumelden und die Einkünfte zu versteuern.
Zu viele Mieter in Berlin kündigen beim Umzug in eine andere Wohnung ihren Mietvertrag nicht. Man zieht zum Beispiel zusammen in eine größere Wohnung, und für den Fall, dass die Beziehung nicht hält, behält man die alte Wohnung in Reserve. Denn das Wohnungsangebot ist äußerst knapp und der alte Mietvertrag lächerlich billig.
Die alte Wohnung, für die man keine 300 Euro Warmmiete bezahlt, wird für 60 Euro am Tag an Touristen oder neu zugereiste Arbeitskräfte vermietet. Und wenn es gut geht, bezahlt sich die alte Wohnung nicht nur selbst, sondern die neue gleich noch mit.
Wer monatelang erfolglos auf Wohnungssuche ist, neigt zu nachlassender Toleranz gegenüber diesen pfiffigen Kleinkapitalisten, obwohl deren Verhalten absolut menschlich ist.