Professor Peter Höfflin lehrt an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Er engagiert sich im Bündnis „Recht auf Spiel“ und hat Studien zu Spielmöglichkeiten von Kindern in der Stadt veröffentlicht. Ein Gespräch
Herr Professor Höfflin, laut Ihrer Studien sind Spielplätze oft ungenügend. Woran liegt das?
Peter Höfflin: Zunächst mal sind Spielplätze künstlich geschaffene Reservate. Das ist der Platz für Kinder, bedeutet oft aber auch eine Verdrängung aus anderen Bereichen. Kinder brauchen aber auch ein gutes Wohnumfeld in dem sie mit anderen Kindern frei spielen können. Ein weiteres Problem aber ist, dass die Ausstattung für die Hauptzielgruppe, also für Kinder zwischen fünf und neun Jahren, selten reizvoll ist. Die Kommunen bestellen häufig Fertigpakete aus dem Katalog. Es mangelt aber an Gestaltungsmöglichkeiten, Klettergelegenheiten, wildem Grün, Gestrüpp, mit dem sie sich auch mal ein Versteck bauen können.
Warum reichen Klassiker wie Wippe, Schaukel und Rutsche nicht aus?
Kinder müssen gestalten, verändern oder etwas herstellen können. Wasser etwa ist ein wichtiges Element. Kinder können sich stundenlang damit beschäftigen, aber auf Spielplätzen findet man Wasser eher selten. Zudem müssen sich Kinder austesten können, ihre Grenzen finden, zum Beispiel beim Klettern. Damit kommen wir zum zweiten Problem: Die Risikokompetenz ist nicht zuletzt durch das übersteigerte Sicherheitsbedürfnis von Helikoptereltern deutlich gesunken. Sie stehen auf dem Spielplatz und passen auf, dass ja nichts passiert.
Ist das wirklich so schlimm?
Eine gesunde psychomotorische Entwicklung wird dadurch unterdrückt. Ein Viertel aller Kinder können Untersuchungen zufolge nicht mal mehr auf einem Bein hüpfen. Das kann nachhaltige Folgen haben: Übergewicht, aber etwa auch eine spätere Rechenschwäche. Es geht darum, Kindern die Freude an der Bewegung wiederzugeben. Dafür aber reichen Spielplätze nicht aus.
Wie soll es dann funktionieren?
Der zunehmende Platzmangel in den Städten, die explodierenden Mieten haben auch schwerwiegende Folgen für die Spielräume. Es gibt kaum noch geeignete Flächen. Deshalb müssen die Kinder die Stadt zurückerobern. Wieder mit Kreide die Straße bekritzeln, auf Mauern balancieren, bolzen in der Garageneinfahrt, am Hafen dem Löschen der Fracht zuschaue, durch die Fußgängerzonen und Kaufhäuser rennen. Sie glauben gar nicht, was Kinder alles bespielen können, wenn man sie lässt. Das aber erfordert eine moderne Stadtplanung, die durch mehr verkehrsberuhigte Zonen die Voraussetzungen schafft.
Sie haben Kinder nach Ihren Wünschen gefragt. Was kam dabei raus?
Auf unseren Begehungen kamen zum Beispiel Spielplätze mit großen Laufflächen besonders gut an. Die Kinder beschwerten sich zugleich, dass Spielplätze vor allem in den Innenstädten zu klein und schlecht ausgestattet seien, deshalb hätten sie keine Lust, die Plätze zu nutzen. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass Kinder in kinderfreundlichen Stadtteilen täglich durchschnittlich fast zwei Stunden allein ohne Aufsicht draußen spielen, in kinderunfreundlichen Gebieten nur eine Viertelstunde. Wir weisen immer darauf hin, dass Kinder als Bürger in die Planung und Gestaltung von Spielplätzen, aber auch städtischen Räumen einbezogen werden müssen. Die UN-Kinderrechtskonvention sieht übrigens genau das vor.
NRW startete 2014 die Kampagne „Mehr Freiraum für Kinder“ . Städte und Kommunen werden bei der Umsetzung von Spielräumen vom Land unterstützt. Bonn, Duisburg, Essen, Oberhausen sind dabei, Köln nicht. Ist das der richtige Ansatz?
Absolut. Wir wünschen uns viel mehr solcher Projekte, bei denen Kinder wieder Teil des Stadtbildes werden. Städte wie Kopenhagen, aber auch New York zeigen: In der modernen Stadtentwicklung geht es nicht mehr so sehr um Spielplätze, sondern um das Schaffen von Spielotopen. Hier lernen Kinder, dass Rumtoben am Ende immer mehr Spaß macht, als vor der Spielkonsole zu hocken.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger