Die Grenze quer durch Deutschland, die Mauer, ist gefallen. Entgrenzt ist aber vor allem der kapitalistische Markt. Der Sieger im Wettbewerb der Systeme feiert seinen Sieg.
Das Ergebnis: Die Gräben zwischen Arm und Reich werden immer tiefer. Die Ostdeutschen scheint das mehr zu stören als die Westdeutschen, nicht nur, weil die Armut im Osten größer ist. Wir kommen aus einer anderen Situation. Wenn die monatlichen Einkommen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in DDR-Zeiten ungefähr zwischen 300 und 3.000 Mark lagen (…), so liegen sie heute mindestens zwischen 600 und 60.000 € (…) Und es gibt Ausnahmen, die diese Spanne weit überschreiten.
In der DDR gab es praktisch keine Arbeitslosen. Jeder bekam eine Ausbildung, alle nach der Ausbildung eine Arbeitsstelle. Es war ein relativ konsequent umgesetztes Prinzip, jeden in die Gesellschaft zu integrieren. Gewiss, das führte zu Effizienzverlusten und brachte der DDR den Vorwurf der Gleichmacherei ein. Aber mit großen sozialen Unterschieden zu leben, das müssen wir erst lernen.
Besser vielleicht, wir gewöhnen uns gar nicht erst daran (…) Der Armutsbericht der Bundesregierung gibt reichlich Aufschluss darüber, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland (…) weiter auseinandergeht (…) Wie viel Armut können wir uns eigentlich leisten? Wie viel Unterschied müssen wir uns leisten, um im globalen ökonomischen Wettbewerb mithalten zu können?
Entnommen aus: Reinhard Höppner: „Versucht es doch! 3 % reichen, die Gesellschaft zu verändern“, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2007, S. 41f