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Ökologisches Bauen

Thomas Bittner in Gesünder Wohnen Nr. 34, 1996

Die Ökologie ist die Wissenschaft von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt und den Kreisläufen belebter und unbelebter Materie. Die Biologie beschäftigt sich mit Lebewesen und Lebensvorgängen. Oft wird der Begriff „Ökologie“ als Synonym für „Biologie“ benutzt; viele verstehen darunter einfach „mehr Grün“, „Naturschutz“ oder auch eine lust- und konsumfeindliche Weltanschauung einiger Geistesgestörter. Genausowenig, wie man ein schönes Haus „optisch“ nennt und ein häßliches „optisch“, lassen sich Verhaltensweisen mit den Begriffen „ökologisch“ oder „unökologisch“ bewerten. Die Ökologie beschreibt Zustände und Abläufe, wertet aber nicht, was richtig oder falsch ist.

Wenn Menschen Behausungen bauen, so ist das in einem gewissen Rahmen eine natürliche Sache. Bauen ist immer auch ein Eingriff in ökologische Kreisläufe und geht zumeist mit einem Verlust an natürlicher Umwelt einher. Es sollte selbstverständlich sein, die Beeinträchtigung auf das absolut Unvermeidbare zu begrenzen. Dieses Ziel ist gemeint, wenn im Folgenden von „ökologisch“ geredet wird.

Das ökologisch sinnvolle Bauen ist nicht Domäne asketisch lebender Apostel, die das Zurück zur Natur predigen. Es ist nicht einmal eine freiwillige Angelegenheit, sondern gesetzliche Verpflichtung. Regeln für das ökologisch sinnvolle Bauen finden sich unter anderem…

• in den Verfassungen der Bundesländer, zum Beispiel der bayerischen, die vorschreibt, daß der deutsche Wald, kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder und die einheimischen Tier- und Pflanzenarten möglichst zu schonen und zu erhalten sind (Artikel 141),

• im Baugesetzbuch, das eine geordnete städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten, eine menschenwürdige Umwelt sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen schützen und entwickeln soll (BauGB § 1 (5)).

• in den Bauordnungen der Länder. Zum Beispiel gestattet die bayerische Bauordnung das Bauen unter der Maßgabe, daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben oder Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden (BayBO,Art. 3).

Geordnete städtebauliche Entwicklung

Das Baugesetzbuch (§ 1 (5)) macht es den Entscheidungsträgern in den Gemeinden, Städten und Kreisen zur Pflicht, Bauleitpläne aufzustellen, die „eine geordnete städtebauliche Entwicklung gewährleisten“. „Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden. Landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen sollen nur im notwendigen Umfang für andere Nutzungsarten vorgesehen und in Anspruch genommen werden“. Die „Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, der Land und Forstwirtschaft, des Verkehrs einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, der Abfallentsorgung und der Abwasserbeseitigung sowie die Sicherung von Rohstoffvorkommen und die Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen“ sind besonders zu berücksichtigen, ebenso „die Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile sowie die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbilds“(BauGB § 1 (5).

Die Oberste Baubehörde in Bayern gibt zum Umgang mit der Landschaft folgende Empfehlungen, ich zitiere Herrn Staatsminister Dr. Günther Beckstein aus dem Papier seines Ministeriums mit dem Titel „Flächensparende Wohngebiete”:

„Flächensparendes Bauen ist ein wesentlicher Beitrag des heutigen Städtebaus zur Schaffung zusätzlicher Wohnungen. . . .”
„Bei neuen Bauflächen kommt es darauf an, diese Flächen auch intensiv zu nutzen. Der sparsame Umgang mit Grund und Boden ist einer der wichtigsten Grundsätze des Städtebaus. Dieser Planungsgrundsatz muß in der Praxis umgesetzt werden.“

„Das locker bebaute Einfamilienhausgebiet, das großflächig die Landschaft überzieht, kann dabei kein zukunftsweisendes Siedlungsleitbild sein. Der große Flächenverbrauch ergibt in der Regel kein Mehr an Wohnqualität: Die Abstandsflächen sind wenig nutzbar und die Privatheit der Gärten wird durch Straßenlärm und Einblicke beeinträchtigt“ (Staatsminister Dr. Günther Beckstein in „Flächensparende Wohngebiete“). Die Broschüre zeigt übrigens einige gute Beispiele für verdichtetes Bauen auf 147 bis 393 m2 Grundstücksfläche je Wohneinheit.

Die Flucht aufs Land

Nach landläufiger Überzeugung kann der Wunsch nach erholsamem und gesundem Wohnen mit Garten und sauberer Luft nur im Eigenheim auf dem Land erfüllt werden. Diese Einstellung ist unter anderem Folge jahrzehntelanger Propaganda und staatlicher Förderung. Aus psychologischer Sicht ist sie eine Reaktion auf die Arbeitswelt, die wenig Anerkennung bietet, aber harten Konkurrenzkampf erzeugt. Der Einzelne erlebt Umwelt als feindlich und entwickelt das starke Bedürfnis, sich in die schützende Privatsphäre eines eigenen Hauses zurückzuziehen.

Häufig wird die Isolation des Einzelnen in der Stadt beklagt, aber das freistehende Häuschen, Wunschdomizil der Meisten, drückt auch eher den Wunsch nach Distanz aus, als daß es die Gemeinschaft fördert. Parzellengrößen um die 700 Quadratmeter erlauben es aber weder, zum Nachbarn den Abstand zu wahren, der für ein friedliches Nebeneinander notwendig ist, noch lassen sie eine akzeptable Gestaltung der Abstandsflächen zu. Die Grünflächen sind eher ein ständiger Anlaß für Streitigkeiten als eine Quelle der Lebensfreude.

Für den Exodus ins gelobte Land am Rande der Stadt gibt es auch finanzielle Beweggründe. Bauland ist dort am billigsten, wo es an allem fehlt, was das Leben komfortabel macht. Die Ansprüche an die Lebensqualität werden jedoch nicht zurückgelassen, sondern weiterhin in der Stadt befriedigt. Die alten Zentren können aber ihrer Funktion nicht mehr gerecht werden, wenn ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung in schlecht versorgten Schlafsiedlungen wohnt. Diese Menschen sind für alle außerhäusigen Aktivitäten auf das Auto angewiesen. Sie brauchen Parkplätze, wo immer sie hinkommen und sie erwarten staufreie Straßen. Das bieten ihnen die Einkaufszentren außerhalb der Städte. Da kann eine gewachsene Altstadt, und sei sie noch so schön, auf Dauer nicht konkurrieren.

Der autogerechte Umbau der Stadt kann den Trend nicht aufhalten, er vertreibt die Bewohner und beraubt diese Orte damit ihrer Chance, als lebendiges, menschliches Gemeinwesen von hohem kulturellem Niveau überleben zu können. Einzelhändler ziehen an den Stadtrand, weil ihre alte Kundschaft ausbleibt. Schon werden Kinos, Tanzschulen und Restaurants in Gewerbegebieten angesiedelt und städtische Mehrzweckhallen auf die grüne Wiese gesetzt, weil nur dort genügend Parkplätze für die Besucher zur Verfügung gestellt werden können. Das bietet die Gewähr dafür, daß auch die Stadtkernbewohner in Zukunft ohne Auto nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen können.

Die Flucht aufs Land als Folge unwirtlich gewordener Städte verschärft die Probleme. Der Drang in die Vororte führt dazu, daß sich die Städte wie Geschwüre in die naturnahe Landschaft ausdehnen. Die Zahl der Pendler wächst, die Wege zwischen Wohnung, Arbeitsplatz, Einkauf und Erholung werden noch länger. Die Wohngebiete an den Straßen werden unattraktiver und veranlassen weitere Bürger, ins Grüne zu ziehen.

Bei der Planung neuer Baugebiete tun sich viele Stadt- und Gemeinderäte schwer, sparsam mit dem Land umzugehen. Sie wollen den „ortsüblichen Charakter der ländlichen Streusiedlung“ erhalten, deshalb lehnen sie dichte Bauweisen ab. Die ländliche Streusiedlung ist aber geprägt durch Landwirtschaft, nicht durch Ziergärten, Hollywoodschaukeln und Doppelgaragen. Was hier und anderswo entsteht, sind städtische Streusiedlungen. Die Nutzung der dörflichen Randbereiche für Wohnzwecke bringt Trennungen von Hof und Feld durch Wohngebiete mit sich. Das beeinträchtigt sowohl den landwirtschaftlichen Funktionsablauf als auch die Wohnqualität der Neubürger. Da die Siedlungen keine Arbeitsplätze, Schulen und ausreichende Einkaufsmöglichkeiten bieten, entsteht notgedrungen zusätzlicher Verkehr mit Belastungen für die Gesamtstadt.

Mischnutzung

Eine Stadtplanung mit menschenfreundlicher Nutzungsmischung bei hoher Bebauungsdichte verringert den Transportbedarf und die Zahl der Privat-PKW, hält Wegstrecken kurz und damit das Verkehrsaufkommen geing, die Flächen für ruhenden und fließenden Verkehr können reduziert werden. Werden Wohnungen, Restaurants, Geschäfte, emissionsarme Gewerbe, Kinos und Theater in einem Viertel angesiedelt, können Menschen in diesem Stadtviertel wirklich leben und nicht nur dort schlafen.

Der Verfall unserer Gemeinwe- sen und das nachlassende soziale Engagement der Bürger sind unvermeidliche Konsequenzen unserer Verkehrsgesellschaft. Wer außerhalb seiner vier Wände nur mittels Lichthupe, Gaspedal und Gebärdensprache kommunizieren kann, schafft keine Gemeinschaft.

Wir dürfen bei der Planung neuer Wohngebiete nicht vergessen, daß der Mensch mehr braucht als ein großes Wohnzimmer, Süd-Terrasse und Doppelgarage. Die menschenfreundliche Siedlung bietet Plätze, Zeichen, Merkmale, Objekte, die zum Verweilen und zum Plausch einladen. Soziales Leben braucht Kristallisationskerne, so wie die Schnur in der Zuckerlösung erst den Kandis entstehen läßt. Das kann zum Beispiel ein Brunnen sein, oder die Dorflinde mit der Sitzbank, die Bushaltestelle, der Kiosk, der Spielplatz für Kinder oder Erwachsene und vieles mehr. Sitzgelegenheiten mit Überdachungen oder berankte Pergolen mit Bänken vermitteln ein Gefühl der Geborgenheit, aus dem heraus leicht soziale Kontakte geknüpft werden können. Diese sozialen Elemente der Architektur sind es, die ein Wohnquartier zur Heimat machen. Je stärker die Identifikation mit dem öffentlichen Wohnraum ist, desto größer ist letztlich auch die Bereitschaft, für die Gestaltung seines Vier-tels Verantwortung zu übernehmen.

Märkte, Basare und Altstadtfeste sind allerorts gut besucht. Wohl nicht, weil es sonst nichts zu kaufen gibt. Es geht um die zwanglose, zufällige Begegnung auf der Straße. Warum aber ist die belebte, bewohnte – nicht befahrene – Straße bei uns die Ausnahme? Wir freuen uns in fernen Ländern an dem bunten Treiben auf den Basaren, an pittoresken Gassen, an freundlichen Menschen, die vor ihren Häusern sitzen, wohnen, arbeiten. Aber uns selbst hier und zu Hause gönnen wir das nicht. Wir lieben Venedig und behaupten, daß unsere Stadt ohne Auto nicht funktioniert.

Was tun?

Hausbau hört nicht am Gartenzaun auf. Zum ökologischen Bauen gehört der verantwortungsbewußte Umgang mit dem Bauland. Das heißt, flächensparendes Bauen nahe an der vorhandenen Infrastruktur. Und zur Ökologie gehört auch die Beziehung der Menschen zu ihren Nachbarn. Wer ökologisch bauen will, läßt nicht nur Styropor-Dämmplatten, PVC- Böden und Aluminium-Haustür im Baumarkt stehen, sondern kümmert sich auch um eine günstige Bauform, eine sinnvolle Lage mit guter Verkehrsanbindung und die Rahmenbedingungen für ein soziale Leben.

Ökologische Bebauungspläne sind gefragt, die durch dichte Bauweise Heizenergie sparen helfen, Regenwasser und Sonnenenergie nutzen, das Auto überflüssig machen, das Verweilen interessant machen und soziales Denken und Handeln fördern.

Das Bild einer solchen Siedlung wird geprägt sein durch zwei- bis viergeschossige Reihen-, bzw. Stadthäuser in privatem Einzelbesitz in der Größe üblicher Einfamilienhäuser. Jedes einzelne Stadthaus bietet von seiner Aufteilung her die Möglichkeit, einzelne Etagen zu vermieten. Typischer Geschoßwohnungsbau ist nicht vorgesehen. Die Erdgeschosse können grundsätzlich gewerblich genutzt werden.

Fußwege, bzw. Wohnstraßen beginnen direkt an der Hauswand, es können aber erhöhte Sitzplätze, Veranden und Außentreppen in den öffentlichen Raum hineinragen. Jeder kann sich einen Stuhl mit rausnehmen und sich vor die Haustür setzen. Der Außenraum wird belebt, Anonymität und Vereinsamung werden unterbunden, Nachbarschaftshilfe wird zur Selbstverständlichkeit. Manch einer, der ganz allein nicht zurechtkommen kann, muß nicht in einem Heim dahinvegetieren, wenn er hier wohnen darf.

Die privaten Gärten im Innenhof sind von den Blicken der Nachbarn und Passanten abgeschirmt. Es gibt keine ungewollten Begegnungen mit den Nachbarn, wer Kontakt will, geht vors Haus. Anstelle unnützer Vorgärten und Abstandsgrünflächen werden öffentliche Grünflächen angelegt, die mit anderen Ortsteilen und der freien Landschaft in Verbindung stehen. Darin gibt es ein Netz von Wanderwegen.

Autos werden in platzsparenden Regal-Parkhäusern am Rand der Siedlung deponiert. Die Straßen werden zu grünen Alleen und Promenaden, wo sich Kinder spielerisch entfalten können. Der Straßenraum wird zum öffentlichen Lebensraum, zum grünen Wohnzimmer vor der Haustür. Die Reduzierung versiegelter Flächen und die Begrünung der Gebäude und Siedlungen schaffen ein günstiges Gebäude- und Stadtklima.

Die geschlossene Bauweise (keine freistehenden Häuser), der Verzicht auf Vorgärten und individuelle Garagen und die Reduzierung der privaten Freiflächen auf intime behagliche Gärten lassen den Grundstücksbedarf für eine Wohneinheit auf 250 qm und weniger sinken.

Die dichte Bebauung schützt vor Wind und Auskühlung, spart Heizenergie, schont die Umwelt und verringert den Landverbrauch. Sie schafft kurze Wege; dadurch funktionieren auch Versorgungseinrichtungen besser. Tante-Emma-Läden rentieren sich wieder. Blockheizkraftwerke, Solarenergieanlagen, Wärmespeicher können hier effektiver und kostengünstiger eingesetzt werden als für einzelne Einfamilienhäuser.

Die Bauleitplanung soll eine Zersiedelung der Landschaft verhindern. Die Aktivierung von noch ungenutzten, bebaubaren Flächen würde die Auslastung der bestehenden Infrastruktur verbessern und hohe Investitionskosten für die Erschließung von unter Umständen entbehrlichen Baugebieten vermeiden.

Das Baugebiet soll in Anbindung an bestehende Siedlungseinheiten, Verkehrswege und Versorgungszentren ausgewiesen werden. Wohnsiedlungen ohne fußläufige Wegbeziehungen zu Haltestellen, Läden, Schulen, Kindergärten entsprechen weder den Bedürfnissen der Bewohner, noch denen der Umwelt. Gute Verkehrsanbindung und Versorgung spart Treibstoff und Verkehrsflächen und verringert die Bodenversiegelung und den Verbrauch von Landschaft und natürlichen Biotopen.

Um zu verhindern, daß in Zukunft Bebauungspläne nach altem Strickmuster entstehen, müssen ökologisch orientierte Bürger die Planung in die Hand nehmen. Es haben sich einige Bauwillige und Planer gefunden, die ökologisch vorbildliche Siedlungen schaffen wollen.

Wer mitmachen will, kann sich melden bei