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Leben ohne Auto

    „…das schwierigste am prozess der trennung von seinem fahrzeug ist das überwinden der anfänglichen mobilitätsimpotenz. diese existiert aber nicht wirklich, sondern ist in nahezu allen fällen ein ergebnis unserer automobilen sozialisation…“, schreibt Jeff bei Utopia.de.

    Das sehe ich genauso. Die Vorstellung machts. Das sichere Elend ist manchem lieber als die unsichere Freiheit. Bei mir war der hauptsächliche Auslöser für die Abkehr vom Auto – nach mehr als 500.000 Kilometern – ein immer häufiger wiederkehrendes Gefühl der Unfreiheit, manchmal bis zur Wut auf diejenigen, die mich „zwangen“, mich in ein rollendes Gefängnis zu setzen – um meine Existenz zu verdienen. Oft bin ich abends eine halbe oder dreiviertel Stunde in immer weiter werdenden Kreisen um mein Domizil in Berlin Wilmersdorf gekreist, um meinen Käfig abstellen zu können und endlich Feierabend zu machen. Oder ich war pünktlich am Ort des Geschäftstermins, aber ich konnte das Auto nicht verlassen, weil es keinen Parkplatz gab. Irgendwann war mir auch klar, dass die Wahrscheinlichkeit, in einem Stau festgehalten zu werden, am größten ist, wenn ich in einem Auto sitze. Aber ich kann natürlich auch akzeptieren, dass viele sich einfach sicherer fühlen, wenn sie im Käfig sitzen. Es gibt Stall- und Wildhasen.

    Vor 20 Jahren habe ich das recherchiert:
    – Mehr als 3 Millionen Bundesbürger müssen länger als 10 Minuten zu einer Haltestelle des öffentlichen Personennahverkehrs laufen
    – Nur 50 % der Bundesbürger können zu Fuß innerhalb von 10 Minuten Einrichtungen für Ältere oder für Jugendliche erreichen.
    – 15 Prozent der Westdeutschen und 26 % der Ostdeutschen finden innerhalb der 10-Minuten-Fußwegdistanz keinen Spielplatz.
    – Jeder fünfte Bundesbürger kann keinen Kindergarten oder keine Arztpraxis zu Fuß innerhalb von 10 Minuten erreichen.
    – Ein Viertel der Bundesbürger kann keine Grundschule zu Fuß in 10 Minuten erreichen.
    – Untersuchungen der außerhäusigen Wege zeigen, daß die Bevölkerungsgruppe der 15- bis 17jährigen die mobilste ist mit etwa 3,5 Wegen pro Werktag. Nur etwa 12 % der Wege legt diese mobile Altersgruppe im PKW zurück (als Mitfahrer natürlich). In der Altersgruppe der 25- bis 64jährigen legen die Männer 70 % und Frauen 45 % der Wege mit dem Auto zurück.

    Hat jemand aktuellere Daten?

    Utopia sollte meines Erachtens der Ort sein, wo Lebensqualität nicht mit Mobilität gleichgesetzt und Mobilität in Kilometern gemessen wird. Viele Leute, vermutlich die Mehrheit der Wähler, empfinden es als einen Zuwachs an Mobilität, wenn sie für das, was sie früher in 10 Minuten zu Fuß erledigt hätten (z.B. Tante-Emma-Laden), jetzt mehr als eine Stunde mit dem Auto unterwegs sind (z.B. Superbilligmarkt mit Großparkplatz und Kassenschlangen).

    Ja und dann gibt es noch eine Art von Wahnsinn, die in PS gemessen wird, aber das ist ein anderes Thema.

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